Paartherapie nach dem Hamburger Modell
Das Hamburger Modell der Paartherapie (Arentevicz und Schmidt 1980, 1986, 1993) wurde auf der Basis der Ansätze von Masters & Johnson (1970), Lobitz & LoPiccolo (1972) und Kaplan et al. (1974) von dem Therapeutenteam der Hamburger Abteilung für Sexualforschung entwickelt. Es wird bereits seit den 70er Jahren empirisch überprüft und ständig weiterentwickelt.
Das Konzept der Paartherapie nach dem Hamburger Modell eignet sich für hetero- und homosexuelle Paare mit Problemen, die sich auch oder vor allem in der Sexualität bemerkbar machen. Es liegt eine sexuelle Funktionsstörung (Erektionsstörung, Ejaculatio praecox, Orgasmusstörung, Vaginismus etc.) oder sexuelle Lustlosigkeit bei zumindest einem Teil des Paares vor. Voraussetzung der Behandlung ist, dass beide Partner die Probleme in der sexuellen Beziehung gemeinsam bearbeiten wollen.
Auch wenn es sinnvoll ist, bei sexuellen Problemen eine paartherapeutische Behandlung zu machen, gibt es Situationen, in denen dies nicht möglich ist oder nicht gewünscht wird. Eine Einzelpsychotherapie bietet dann eine Möglichkeit, die Problematik für sich zu klären.
Kontraindikation: Wann ist eine Behandlung ausgeschlossen?
Bei einer schweren akuten Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie bei einer akuten Psychose ist von einer Behandlung nach diesem Modell abzusehen. Sonstige körperliche oder psychische Erkrankungen stellen nicht per se eine Kontraindikation dar. Es muss im Einzelfall geklärt werden, ob diese jedoch nicht primär behandelt werden sollten.
Konzept: Was passiert in der Therapie?
Es erfolgt ein gemeinsames Erstgespräch, in dem die Problemstellung erhoben wird. Danach folgen mit beiden Partnern Einzelgespräche. Hier werden ausführliche Anamnesen erhoben, d.h. es wird die individuelle Vorgeschichte anhand von biografischen Daten und Stationen der psycho-sexuellen Entwicklung festgehalten. Als nächstes folgt das sog. „Round-table“-Gespräch, in dem die Ergebnisse aus den Einzelgesprächen besprochen werden. Hier erfährt das Paar, wie ich als Therapeutin die jeweilige Lebensgeschichte und die darin verwobenen sexuellen Lernerfahrungen verstanden habe. Ich schildere meinen Eindruck, den ich gewonnen habe und meine Vermutungen, wie die aktuelle Problematik des Paares vor dem Hintergrund der persönlichen Erfahrungen verstanden werden kann und mit ihnen in Verbindung stehen könnte. Gemeinsam mit dem Paar werden durch dessen Bestätigung, Korrektur bzw. Ergänzung erste Überlegungen zum näheren Verständnis des aktuellen Problems und zur Bedeutung und Funktion der Sexualität und ihrer Schwierigkeiten in der Paarbeziehung entwickelt. So kann sich eine neue Perspektive auf das Symptom und seine dahinter liegende Dynamik eröffnen. Der Symptomträger/die Symptomträgerin hat niemals die alleinige Verantwortung für die sexuellen und partnerschaftlichen Schwierigkeiten. Es handelt sich stets um das Zusammenwirken zweier Lebensgeschichten. Besteht nach diesen ersten Gesprächen auf allen Seiten genügend Vertrauen und Bereitschaft zur Zusammenarbeit, so kann die zweite Phase der Therapie beginnen. Hier gibt es ein klares Schema, dem jedes Paar seinem Tempo gemäß individuell folgt. Verschiedene „Übungen“, die den Charakter des Experimentierens haben, laden zu Erfahrungen mit sich selbst und dem Partner/der Partnerin ein. Sie werden zu Hause durchgeführt, und dann in der nächsten Sitzung besprochen. Neue Erlebnisweisen, tief greifende Einsichten und Veränderungen werden so möglich. Der häufig bestehende Leistungsdruck, eingefahrene destruktive Muster werden abgebaut und beginnen einer neuen Intimität und Sexualität zu weichen. Nach Beendigung der Therapie gibt es das Angebot eines Nachgesprächs nach ungefähr sechs Monaten, um Veränderungen und Auswirkungen der Therapie zu reflektieren. Natürlich besteht jederzeit die Möglichkeit zur erneuten Kontaktaufnahme.